Hunde-Lobby bei Schalthoff

Gleich zweimal erhielt die Hunde-Lobby Hamburg am 5. April 2005 Gelegenheit, sich vor laufenden Kameras zu den Vorfällen mit dem Rottweiler in Bramfeld und dem Schäferhundmix in Wilhelmsburg zu äußern. Doch unmittelbar vor Aufzeichnung der Sendung „nachgefragt“ erreichte Herbert Schalthoff, Chefredakteur bei Hamburg1, über dpa die Meldung von der in Bergedorf durch einen Hovawart verletzten Joggerin.

Hunde: Vom Freund zum Feind des Menschen

Schalthoff’s Interview-Partnerin, Jule Thumser (Pressesprecherin der Hunde-Lobby Hamburg und Mitglied der IG Hundefreunde Niendorf), stand zu Beginn der Sendung „nachgefragt“ noch ganz unter dem Eindruck, der aktuellen dpa-Meldung über den Beißvorfall in Bergedorf. Dennoch vertrat sie souverän die von der Hunde-Lobby Hamburg vertretene Ablehnung eines generellen Leinenzwangs und machte deutlich, dass die Verantwortung für diesen und die vorangegangenen, bedauerlichen Vorfälle unbestreitbar beim jeweiligen Halter und nicht beim Hund zu suchen sei. Deshalb plädierte Thumser auch dafür, statt die bestehende Hundeverordnung zu verschärfen und damit alle friedlichen und gut erzogenen Hunde in Sippenhaft zu nehmen, besser über eine Hundehalterverordnung mit Sachkundenachweis nachzudenken.

In diesem Zusammenhang wies sie eindringlich darauf hin, wie wichtig Information und Sachkunde bereits vor Anschaffung eines Hundes seien. So passe eben nicht jede Rasse zu jedem Menschen und jeder Lebenssituation. Die Verantwortung für ein angeschafftes Tier trage man zudem ein ganzes Hundeleben lang.

Angesprochen auf den Rottweiler Sheitan, bestätigte Thumser, dass der 20 Monate alte Rüde – ohne Chance auf Resozialisierung – bereits am Vortage im Tierheim Süderstraße eingeschläfert worden sei. Dabei brachte sie ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass der Rottweiler möglicherweise nur so vorschnell geopfert wurde, „um die Bürgerseele zu beruhigen“. Nach einem Hinweis auf die längst veraltete Grünanlagenverordnung und die Niedersächsische Hundeverordnung, die ohne Leinenzwang und Rasselisten auskommt, war die 10-minütige Sendung auch schon am Ende.

Die vor der Sendung gestartete TED-Umfrage zum generellen Leinenzwang brachte zu diesem Zeitpunkt 30,5 Prozent Befürworter und 69,5 Gegner unter den Zuschauern.

Alle Hunde an die Leine?

Nur wenige Stunden später ging um 20.15 Uhr „Schalthoff live“ auf Sendung. Mit seinen Gästen – Dietrich Wersich (Staatsrat Gesundheitsbehörde), Michael Neumann (Chef der SPD-Bürgerschaftsfraktion), Wolfgang Poggendorf (Geschäftsführer Hamburger Tierschutzverein) und Michael Rockel (Vorsitzender der IG Hundefreunde e.V. und Mitglied der Hunde-Lobby Hamburg) – diskutierte Schalthoff, vor dem Hintergrund des neuerlichen Beißvorfalls, den generellen Leinenzwang für Hunde in der Hansestadt.

Gleich zu Beginn stellte Schalthoff SPD-Chef und Leinenzwang-Befürworter Neumann die Frage, ob der Hund der Freund des Menschen sei. Als dieser dies bejahte, gab Schalthoff zu bedenken: „Freunde führt man nicht an der Leine!“. Neumann – der vor Jahren von zwei angeleinten (!) Rottweilern verletzt worden war – sah darin keinen Widerspruch. Seiner Ansicht nach sei ein genereller Leinenzwang zumutbar und angemessen. „Das ist eine einfache Regelung, die jeder versteht, die mehr Sicherheit bringt und einfacher zu kontrollieren ist“, so der SPD-Vertreter.

Wesentlich moderatere Töne schlug Staatsrat Wersich, der für Chip- und Haftpflicht-Pflicht sowie einen Sachkundenachweis plädierte, für die Regierung an. Er machte mehrfach deutlich, dass alle Vorfälle der vergangenen Wochen durch einen generellen Leinenzwang nicht hätten verhindert werden können, da sie in Gebieten passiert seien, in denen ohnehin bereits Leinenpflicht bestünde. Auch korrigierte er die einige Tage zuvor in der Presse veröffentlichten Zahlen zu den Beißvorfällen in der Hansestadt nach unten und betonte, dass sich rund 60 Prozent dieser Vorfälle zwischen Hunden und nicht zwischen Hund und Mensch zugetragen hätten.

Tierheimchef Poggendorf, der sich in der Presse schon seit längerer Zeit für einen generellen Leinenzwang ausspricht, sieht die Hauptursache für die Vorfälle der jüngsten Zeit in der „Vermenschlichung“ der Hunde durch ihre Halter und in genetischen Defekten der Tiere. Er forderte eine strengere Disziplin bei der Erziehung eines Hundes und sprach sich dafür aus, die Haltung von großen Hunden in Etagenwohnungen zu unterbinden. Von Schalthoff befragt, wie sich denn die Aufgabe des HTV, die Tiere zu schützen, mit der Tatsache vereinbaren ließe, dass der Rottweiler Sheitan aufgrund eines Gutachtens aus dem Tierheim Süderstraße tags zuvor eingeschläfert wurde, meinte Poggendorf: „Wir sind Anwalt der Tiere mit voller Leidenschaft und müssen laufend Hunde einschläfern, die psychisch gestört sind!“ Er verurteile nicht die Beißattacke, sondern, dass Sheitan die kleine Sophia gleich dreimal angegriffen habe.

Dem Vorschlag von Schalthoff, die Bußgelder für Verstöße gegen die Hundeverordnung drastisch zu erhöhen, widersprach der Hundelobbyist Rockel entschieden und forderte eine Lösung, die mit dem Halter und dem Hund denke und sich beispielsweise auch an der Straßenverkehrsordnung orientieren könne. Eine Erhöhung der Bußgelder bezeichnete er als „Sanktionen des Bürgers auf Teufel komm raus“, die am Ende nur durch eingelegte Widersprüche die Gerichte beschäftigen würden. Hinsichtlich eines generellen Leinenzwangs erinnerte Rockel an die Ausführungen der Pädagogin und Hunde-Expertin Brigritte Stöber-Haries anlässlich des II. Hamburger Hundesymposium, dem Hund nicht das Beste zu nehmen, was in ihm steckt, nämlich seine soziale Stärke gegenüber Mensch und Tier auszuleben. In diesem Zusammenhang erneuerte Rockel die Forderung der Hunde-Lobby Hamburg nach einem Hundehaltergesetz, dass sich am Halter und nicht am Hund orientieren müsse.

Das von Rockel angeführte Rest- oder Lebensrisiko, dass es – ähnlich wie im Straßenverkehr – trotz immer neuer und immer schärferer Verordnungen und Gesetze dennoch keine 100-prozentige Sicherheit im Leben gäbe, führte beim Leinen-Befürworter Neumann zu der irrigen Annahme, HundehalterInnen stellten die Interessen ihrer Hunde über das Sicherheitsbedürfnis und das Recht auf Unversehrtheit von Joggern, Kindern und anderen Bürgern in den Hamburger Grünanlagen.

An den Senat richtete Neumann die Forderung, die Kontrollen zur Einhaltung des bereits bestehenden Leinenzwangs zu verstärken. Wersich, der die Meinung vertrat, dass sich die Einhaltung der Hundeverordnung – ähnlich wie die Einhaltung von Parkverboten – nicht herbei kontrollieren ließe, merkte an: „Verstärkte Kontrollen und Bußgelder treffen letztendlich dann die, die nicht schnell genug weg sind!“ In diesem Zusammenhang erinnerte der Staatsrat den SPD-Fraktionsvorsitzenden daran, dass die bestehende Hundeverordnung seinerzeit gemeinsam von allen Fraktionen – auch der SPD – beschlossen wurde und noch immer nicht endgültig gerichtlich geklärt sei.

Am Ende der Sendung wurde das Ergebnis der TED-Umfrage bekannt gegeben. Danach sprachen sich 39,4 Prozent der Zuschauer für und 60,6 Prozent gegen einen generellen Leinenzwang für Hunde in Hamburg aus.