Nach der Anhörung vom 20. Mai 2005 tagte der Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft am 19. Oktober 2005 erneut, um die Meinung von Experten zum geplanten Hamburger Hundegesetz einzuholen. Zu den von den Fraktionen benannten Sachverständigen zählten u.a. Angelica Blank (Bund gegen Missbrauch der Tiere), Dr. Oliver Brändel (IG Hundefreunde Alstertal), Dr. Johannes Caspar (Landtag Schleswig-Holstein Wissenschaftlicher Dienst), Georg Ehrmann (Deutsche Kinderhilfe Direkt e.V.), Dr. Dorit Feddersen-Petersen (Zoologisches Institut Haustierkunde, Uni Kiel), Michael Grewe (Canis Zentrum für Kynologie), Klaus Meyer (Sachverständiger Gefahrhundeverordnung), Wolfgang Poggendorf (HTV), Michael Rockel (Hunde-Lobby e.V.) sowie Dr. Barbara Schöning (Tierärztekammer Hamburg). Die Anhörung wurde von gut 100 Hundefreunden und Hunde-Lobbyisten mit großem Interesse verfolgt.
Mit Ausnahme von Georg Ehrmann, der in den Rasselisten insbesondere für Kinder einen wirksamen Schutz vor Beißunfällen sieht, waren die Expertenaussagen zur Kategorisierung von Hunden weitestgehend übereinstimmend. So sagte die Chefin der Hamburger Tierärztekammer: „Die Einteilung in gefährliche und weniger gefährliche Rassen widerspricht aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Tierärztekammer regt deshalb an, dass nur tatsächlich auffällig gewordene Hunde und ihre Halter mit Auflagen belegt werden, nicht aber ganze Populationen einzelner Rassen“. Und selbst HTV-Geschäftsführer Poggendorf sprach sich erstmals unmissverständlich gegen die Rasselisten aus.
In Bezug auf die Einführung eines generellen Leinenzwangs herrschte unter den Fachleuten ebenfalls Einigkeit. Ein genereller Leinenzwang sei abzulehnen, weil er als nicht artgerechte Haltungsform dem Tierschutzgesetz widerspricht. Allerdings gingen die Meinungen über den so genannten Hunde-Führerschein und die damit zusammenhängende Gehorsamsprüfung auseinander. Während Wolfgang Poggendorf sich dafür aussprach, den Grundgehorsam der Hunde vor einem behördlich zugelassenen Prüfer nachzuweisen, plädierte Michael Grewe dafür, die Hund-/Halterbeziehung während eines ein- bis zweistündigen Spaziergangs zu überprüfen: „Wenn Hund und Halter dabei genau beobachtet werden, hat das eine enorme Aussagekraft darüber, ob das Gespann funktioniert“. In diesem Zusammenhang erinnerte Michael Rockel daran, dass sich die Hunde-Lobby – auch im Interesse der Hunde – immer für einen Sachkundenachweis vor Anschaffung eines Hundes ausgesprochen hat. Gut informierte Hundehalter mit einem Hund, der zu ihnen und ihren Lebensumständen passt, seien zudem der beste Schutz vor Beißunfällen. Die Hunde-Experten waren sich darüber hinaus einig in ihrer Ansicht, dass der Hundeführerschein nach bestandener Prüfung ohne weitere bürokratische Formalitäten Gültigkeit haben sollte.
Die geplanten Vergünstigungen für Hunde-Führerscheininhaber beurteilten die Sachverständigen als völlig unzureichend. So setzte sich Michael Rockel dafür ein, die Grünanlagen – mit den gleichen Vorgaben wie für Radfahrer – für geprüfte Hund-/Haltergespanne nicht nur auf den Wegen freizugeben. Dr. Schöning ging noch weiter und forderte, mit einer ermäßigten Hundesteuer Anreize zu schaffen, die Prüfung zum Hunde-Führerschein abzulegen. In diesem Zusammenhang äußerte sie die Befürchtung, dass das neue Gesetz, selbst wenn die Zahl der Auslaufflächen erhöht würde, ansonsten dazu führen könnte, dass eine größere Zahl von Hunden kaum noch ohne Leine ausgeführt werden würde.
Haftpflichtversicherungspflicht und Microchip fanden die Zustimmung der Experten, wenngleich die Juristen Dr. Brändel, Dr. Caspar und Rockel erhebliche Bedenken in Bezug auf den Datenschutz des geplanten Zentralregisters äußerten. Den Vorschlag des HTV-Chefs, die Tierärzte könnten die Microchip-Nummer ihrer Patienten an das Zentralregister melden, lehnte Dr. Schöning kategorisch ab: „Tierärzte verdienen ihren Lebensunterhalt mit tierärztlichen Arbeiten. Die Weitergabe personenbezogener Daten gehört nicht dazu!“
Die Vertreter von Hunde-Lobby e.V. und IG Hundefreunde Alstertal forderten den Gesetzgeber auf, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht aus den Augen zu verlieren. „Den vorhandenen Regelungsbedarf auf dem Rücken der weit überwiegenden Zahl gesetzestreuer Hundehalter ‚abzuladen‘ und sie für das Fehlverhalten einzelner unangemessen zu reglementieren, wäre nicht nur rechtspolitisch sondern auch verfassungsrechtlich äußerst bedenklich“, so Dr. Brändel. „Sollte die gesetzliche Gesamtregelung das Halten eines Hundes in Hamburg unverhältnismäßig und unzumutbar verteuern und dadurch erdrosselnd erschweren, wenn nicht gar vereiteln, würde dies einer verfassungsrechtlichen Überprüfung voraussichtlich nicht standhalten“.
Gemeinsame Pressekonferenz im Vorfeld der Anhörung
Anlässlich der Anhörung zum Hundegesetz hatten die Tierärztekammer Hamburg (TKH), der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) und der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in den Ratsweinkeller geladen, an der auch der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Ulrich Wollenteit und die Pressesprecherin des Hunde-Lobby e.V., Jule Thumser, teilnahmen.
Dr. Wolf-Dieter Schmidt (bpt), Dr. Barbara Schöning (TKH), Dr. Ulrich Wollenteit und Bernhard Meyer (VDH) standen der Presse Rede und Antwort zum geplanten Hamburger Hundegesetz