Das neue Hamburger Hundegesetz wird nicht wie geplant am 1. Januar 2006 in Kraft treten. Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen einigten sich am 24. November 2005 im Gesundheitsausschuss darauf, den Behörden mehr Zeit einzuräumen, um sich auf die neuen Verwaltungsaufgaben – Meldepflicht, Zentralregister usw. – vorzubereiten. Zudem ist nach wie vor völlig unklar, wie die Gehorsamsprüfung aussehen soll und welche Voraussetzungen die Prüfer erfüllen müssen. Darüber hinaus bestehen immer noch Differenzen mit den Bezirken über die Lockerung der Grünanlagenverordnung und die Schaffung weiterer Freilaufflächen. Zusätzlichen Klärungsbedarf sehen die Ausschussmitglieder auch für Härtefallregelungen und eine familiengerechte Umsetzung der Gehorsamsprüfung. Derzeit gehen Bürgerschaft und Senat davon aus, dass das Gesetz zum 1. April 2006 in Kraft treten wird.
In der Presse sprach der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Harald Krüger (CDU), anschließend von der Notwendigkeit eines handwerklich erstklassigen Gesetzes, dass auch gerichtlichen Anfechtungen standhalten wird. Er äußerte zudem die Befürchtung, dass andernfalls Tierärztekammer, Hunde-Lobby und andere Initiativen Chancen hätten, gegen das Gesetz zu klagen. Dr. Andreas Dressel (SPD) ging im Hamburger Abendblatt sogar soweit zu sagen: „Wir wollen die verantwortungsvollen Hundehalter auf unserer Seite wissen. Dafür braucht das Gesetz Akzeptanz!“ Weitere Gründe für die Verzögerung scheinen das geplante Zentralregister, für dessen Programmierung allein eine „satte sechsstellige Summe“ veranschlagt wird, und die damit zusammenhängende Meldepflicht zu sein. Beides soll voraussichtlich in den Verantwortungsbereich der Bezirks- und Ortsämter gelegt werden.
Kopfschütteln über geballten Sachverstand
Eine Abordnung des Hunde-Lobby e.V. war bei der Sitzung des Gesundheitsausschusses dabei. Hier eine Zusammenfassung der „interessantesten“ Fragen und Stellungnahmen „unserer“ Volksvertreter:
Während Dr. Andreas Dressel wissen wollte, ob die Begründung für die Rasselisten jederzeit einer rechtlichen Überprüfung standhielte, erinnerte Christian Maaß (GAL) an die Beißstatistik aus Berlin/Brandenburg, die vom Deutschen Schäferhund und nicht von den in Hamburg gelisteten Rassen angeführt werde. Für die Behörde erklärte Staatsrat Wersich, dass man die Rechtsauffassung vertrete, dass der Gesetzgeber im Sinne der Prävention Rassen als unwiderlegbar gefährlich definieren könne. „Uns ist bewusst, dass die Listen in der Fachwelt umstritten sind“, so der Staatsrat weiter, „gleichwohl gehören alle Hunde auf der Liste zu Rassen, die – wenn sie beißen – eine besondere Gefahr darstellen!“ Und ganz Hundeexperte, erklärte Wersich weiter, dass man gerade die gravierenden Hundebisse verhindern wolle und es Fakt sei, dass die schweren und tödlichen Unfälle in Hamburg auf die genannten Rassen zurückzuführen seien. Zudem zeigte er sich überzeugt, dass das Fehlen einiger Rassen aufgrund der Revisionsklausel nicht zum Kippen der Listen führen werde.
Zum Thema Gehorsamsprüfung versprach Wersich genaue Details nach Verabschiedung des Gesetzes vorzulegen. Der Behörde sei jedoch an einem schlanken, einfachen Verfahren gelegen – mit gewissen Mindest-Qualitätsanforderungen an die zertifizierten Prüfer. Im Zusammenhang mit einem standardisierten Wesenstest müsse zudem genau festgelegt werden, was Sachkunde sei.
In diesem Zusammenhang erinnerte Maaß an die Ausführungen von Dr. Barbara Schöning (Präsidentin der Hamburger Tierärztekammer), die anlässlich der Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss die Befürchtung geäußert hatte, dass die Menge der Prüfungen gar nicht bewältigt werden könne. Außerdem wollte Maaß wissen, was sich in Sachen Familienverträglichkeit und Kosten für die Gehorsamsprüfung ergeben habe. Wersich vertrat die Ansicht, dass die Preise der Hundeschulen bzw. der Prüfungen nicht Aufgabe des Staates sein könnten. Er könne sich jedoch vorstellen, dass der Markt die Preise regeln werde. Außerdem erwarte er gar nicht so einen großen Ansturm auf die Gehorsamsprüfung, da man zum einen vergleichbare, gleichwertige Bescheinigungen anerkennen wolle und es zum anderen eine Menge Hundehalter gäbe, die die Prüfung sowieso nicht ablegen wollten. Die Gruppe der Halter, die ihren Hund ohnehin beherrschten, könne zudem ohne große Vorbereitung in die Prüfung gehen. „Und der Teil, der keine Ahnung hat, muss in die Schule gehen!“.
Dressel nahm noch einmal die Forderung der Sachverständigen nach einer Sachkundeprüfung auf, die Wersich auch für wünschenswert erachtete, aber: „Die Gehorsamsprüfung wird man nicht bestehen, ohne Ahnung von Hunden zu haben“. Die Sachkunde allerdings staatlich abzuprüfen, hielt er dann doch für einen klaren Fall von Überbürokratisierung.
Hinsichtlich der Freigabe der Wege in Grünanlagen erinnerte Maaß an die erheblichen Bedenken seitens des Kinderschutzes und fragte: „Wie wird sichergestellt, dass die Hunde nur auf den Wegen frei laufen und was passiert, wenn der Hund vom Weg abkommt?“ Zunächst stellte Wersich mögliche Nutzungskonflikte in den Vordergrund, bevor er sich wieder als echter Hundeexperte zeigte: „Ein geprüfter Hundehalter sollte doch wohl in der Lage sein, seinen gut erzogenen Hund auf den Wegen zu halten. Wenn das anders sein sollte, wäre das das Ende dieser Regelung!“ Gerichtet an die im Saal vertretenen Hunde-Lobbyisten, die über soviel Sachverstand nur die Köpfe schütteln konnten, meinte er: „Jetzt ist der Freilauf in den Grünanlagen ganz verboten. Ich bitte doch darum, die Verbesserung der rechtlichen Situation zu würdigen!“ Den Einwurf von Michael Fuchs (CDU), dass der Senat wisse, wieviel von einer Veränderung der Grünanlagenverordnung abhänge, nahm Wersich auf und sagte: „Mit der Befreiung vom generellen Leinenzwang erreicht der Hundehalter den Rechtzustand von heute“. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass es vor fünf Jahren gerade einmal fünf Freilaufflächen gegeben hätte. Die heute bestehenden 90 Flächen seien eine erhebliche Verbesserung. Dem widersprach Dressel: „Wir wollen doch einen Anreiz schaffen, die Gehorsamsprüfung abzulegen. Die Wiederherstellung des Rechtzustandes ist aber kein wirklicher Vorteil.“.
Maaß zeigte besonderes Interesse am Vollzug der Regelungen, da es einem Hund nicht anzusehen sei, ob sein Halter die Prüfung abgelegt hätte oder nicht. Wersich sprach sich gegen routinemäßige Hunde-Führerschein-Kontrollen auf den Wegen in Grünanlagen aus, allein Gefahrengeneigte Bereiche müssten kontrolliert werden. „Ich habe kein generelles Misstrauen gegen Hundehalter, deshalb halte ich eine Kennzeichnung der geprüften Hunde auch für kontraproduktiv.“.
Die ausführliche Diskussion über die Haftpflichtversicherung – Deckungssummen, Selbstbeteiligung, Direktansprüche von Geschädigten, nicht gezahlte Prämien – ergab am Ende, dass man keine Versicherungspflicht einführen könne, für die die Versicherungswirtschaft keine Verträge vorsehe. Im Klartext: Man müsse nehmen, was die Versicherer anbieten, da diese wahrscheinlich für Hamburg keine „maßgeschneiderten“ Angebote entwickeln würden.
Das Hundegesetz soll in der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause
– 9. Dezember 2005, 17.00 Uhr (Rathaus, Raum 151) – im Gesundheitsausschuss beschlossen werden. Mit der Verabschiedung in der Bürgerschaft ist dann im Januar oder Februar 2006 zu rechnen.