Kommentar von Knut Mellenthin
Keine echte Überraschung: Die Mitglieder des HTV-Vorstands kämpfen weiter mit allen verfügbaren Mitteln gegen ihren gemeinsamen menschlichen Untergang in Schimpf und Schanden. Dazu gehört die Verhinderung einer Neuwahl des Vorstands und damit eines politischen und moralischen Neuanfangs. Der Absturz wird um so schlimmer sein. Das Ende der „Ära Poggendorf“ wird voraussichtlich Erinnerungen an den Zusammenbruch der DDR wecken. Zurückbleiben wird ein Trümmerfeld, diskreditierte und zerstörte menschliche Existenzen. Verantwortlich dafür sind auch die Mitglieder, die zwar brav ihre Beiträge entrichten, aber sich seit Jahren mit ihrer vollständigen politischen Unmündigkeit abgefunden haben. Wo ist im Verein die Opposition, das zentrale Element einer lebendigen Demokratie? Wo bleibt angesichts der zahlreichen schwerwiegenden Verdachtsmomente der mehrfachen Veruntreuung von Erbschaften der „Aufstand der Anständigen“? Wo blieb in den vergangenen zehn Jahren der Protest gegen die lächerlichen Schrullen eines orientalischen Potentaten, mit denen Herr P. sein kleines Reich beherrscht? Wo sind im Verein überhaupt Kräfte für einen Neuanfang zu erkennen? Der HTV erscheint, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen, ähnlich abgewirtschaftet und erneuerungsunfähig, ebenso innerlich tot wie 1989 die SED. Ein Vorstand, der per Satzung seine Kritiker ausschließen darf, ohne dass es dafür eine demokratische Kontrollinstanz gibt, wird letztlich bei seinem Abgang, den er nur hinauszögern, aber nicht verhindern kann, verbrannte Erde hinterlassen.
Wie die Medien am 26. und 27. August meldeten, haben Herr P. und die auf ihn eingeschworene Schicksalsgemeinschaft die Forderung von Rechtsanwalt Friedrich Engelke und über 100 Vereinsmitgliedern nach einer Vorstandsneuwahl auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgelehnt. Die Vereinssatzung gibt ihnen eindeutig Recht: Vorgeschrieben ist nach $ 15, Absatz 2, eine Briefwahl. Erst wenn diese kein klares Ergebnis bringt, gibt es einen zweiten Wahlgang auf einer Mitgliederversammlung. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung könnte also jetzt nur entscheiden, eine schriftliche Neuwahl des Vorstands durchzuführen. Es ist allerdings nicht einmal ausgeschlossen, dass den vom HTV-Vorstand beschäftigten Anwälten sogar noch etwas einfallen wird, um einen solchen Beschluss für unrechtmäßig zu erklären. Denn die Satzung ist diesbezüglich alles andere als eindeutig. Der Fall einer von Mitgliedern erzwungenen Abwahl des Vorstands scheint dort gar nicht vorgesehen.
Aber selbst im besten Fall würden jetzt alles in allem noch mehr als drei Monate vergehen, bevor ein neuer Vorstand gewählt wäre. Bis dahin amtiert laut Satzung das Poggendorf-Team weiter. Die WELT schrieb am 27. August:
„Wie aus Mitarbeiterkreisen des HTV verlautete, habe Wolfgang Poggendorf auf einer internen Versammlung gesagt, dass es nicht vor Ablauf von zwei Jahren zu Neuwahlen kommen werde.“
Damit mag Herr P. durchaus Recht haben. Und auch mit seiner Einschätzung, dass bis dahin längst Gras über die dumme Geschichte mit seiner Sylter Schnäppchenwohnung gewachsen sein wird. Liest man sich aus aktuellem Anlass noch einmal die HTV-Satzung durch – sie ist auf den Internetseiten des Vereins zu finden – drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass selbst ein nachweislich krimineller, öffentlich Amok laufender Vorstand noch mindestens ein halbes Jahr lang weiteramtieren könnte, ohne dass die Mitglieder die geringste Chance hätten, dem Spuk ein Ende zu machen. Die Satzung ist nämlich durchweg auf die Bedürfnisse des Vorstands zugeschnitten, und zwar gerade auch eines Vorstandes, der von der ihm übertragenen Macht einen autoritären, nicht demokratisch kontrollierten Gebrauch macht. Anders gesagt: In ihrer vorliegenden Form ist die HTV-Satzung eine Einladung zum Machtmissbrauch und zum verzweifelten Kleben an den Vorstandsposten. Wenn Poggendorf & Co. eines Tages doch noch ihr verdientes Schicksal ereilt hat, sollten sich demokratisch denkende Juristen diese Satzung gründlich vornehmen.