Sechs Jahre ist es nun schon her, seit das Hamburger Hundegesetz am 1. April 2006 in Kraft getreten ist. Sechs Jahre, in denen Hundehalter Bußgeldbescheide wegen Verstößen gegen den Leinenzwang kassierten, vor Gericht zogen und – je nach Richter – am Ende doch zahlen mussten oder auch nicht. Seit sechs Jahren steigt die Zahl der beschlagnahmten, ausgesetzten oder abgegebenen Hunde bestimmter Rassen im Tierheim in der Süderstraße – ohne eine reelle Chance, jemals in der Freien und Hansestadt ein neues Zuhause zu finden.
Bei der letzten turnusmäßigen Begutachtung des Hundegesetzes vor knapp dreieinhalb Jahren, konnten Tierschützer und Hunde-Lobbyisten lediglich marginale Erfolge – wie die Leinenbefreiung von Junghunden bis zu zwölf Monaten und den normalen Steuersatz von 90 Euro pro Jahr für Listenhunde aus der Obhut des Hamburger Tierschutzvereins – erzielen, doch jetzt kommt überall in der Republik Bewegung in die Debatte. Angefangen in Hessen, wo SPD-Politiker die Abschaffung der Rasselisten fordern, bis in die Hauptstadt, wo die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der ohne die Kategorisierung der vermeintlich gefährlichen Rassen auskommt.
Auch im Gesundheitsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft, der für die regelmäßige Evaluierung des Hundegesetzes verantwortlich zeichnet, mehren sich die Stimmen, die möglichen Gefährdungen durch Hunde nicht mehr beim Vierbeiner und seiner Rassezugehörigkeit, sondern bei einer nicht sachgerechten Haltung zu sehen. Allmählich scheint bei den politisch Verantwortlichen angekommen zu sein, was Kynologen, Tierschützer und erfahrene Hundehalter seit Jahren predigen: Kein Hund kommt gefährlich auf die Welt und die Verantwortung für etwaige Beißunfälle liegt am oberen Ende der Leine.
Aber noch immer gibt es in der Hamburger Gesundheitsbehörde Vertreter, die anhand von Beißstatistiken das Hamburger Hundegesetz als Erfolg verkaufen wollen. Doch auch diese Amtswalter kommen nicht mehr am Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2004 vorbei, wonach die Rasseliste den tatsächlichen Beißvorfällen regelmäßig anzupassen ist.
Befasst man sich näher mit den Beißstatistiken, wird schnell deutlich, dass es sich dabei um eine Sammlung von mehr oder weniger geklärten Beißvorfällen handelt, die – wenn überhaupt – eine Gefährdung durch Mischlinge und Schäferhunde belegen könnte, denn neben einigen schweren Verletzungen wie tiefen Wunden und wenigen tödlichen Angriffen auf andere Hunde, finden sich in der Statistik vor allem oberflächliche Verletzungen wie Kratzer und leichte Hautwunden sowie Bissvorfälle ohne Bissverletzung – was auch immer man darunter verstehen mag. Schaut man sich die beim Statistischen Bundesamt geführte Todesursachenstatistik an, rangieren tödliche Verletzungen durch Hunde sowieso ganz unten. So kamen zwischen 1999 und 2009 bundesweit pro Jahr durchschnittlich 3,6 Menschen durch „Gebissen- oder Gestoßenwerden vom Hund“ ums Leben. Im gleichen Zeitraum starben bei Unfällen mit Pferden durchschnittlich jährlich 21,5 Menschen.
Natürlich ist jeder Hundebiss ein Hundebiss zu viel, aber tatsächlich wird das Risiko, von einem fremden Hund angefallen zu werden, weit überschätzt. Zahlen aus der Schweiz, wo seit 2007 Hundebissverletzungen meldepflichtig sind, belegen, dass etwas mehr als die Hälfte aller Beissunfälle mit Hunden geschehen, die dem Opfer bekannt sind. In 14 Prozent der Fälle war es der eigene Hund und 37 Prozent der Vorfälle mit Kindern passierten im häuslichen Umfeld des Hundes. In die gleiche Richtung weisen Daten aus Österreich. In einer Studie der Universität Graz über 341 hundebissverletzte Kinder unter 17 Jahren gaben 24 Prozent der Opfer an, vom eigenen Hund gebissen worden zu sein. Bei weiteren 50 Prozent war es der Hund eines Freundes, Nachbarn oder Verwandten.
Angesichts solcher Zahlen dürfte eigentlich jeder – auch ein Politiker – begreifen, dass Rasselisten, Maulkorb- und Leinenzwang nur scheinbar zu mehr Sicherheit führen. Im Interesse einer wirklichen Gefahrenprävention, des Tierschutzes und einer artgerechten Haltung, sollten sich die Hamburger Abgeordneten für eine Lösung nach Niedersächsischem Vorbild entscheiden – ohne Rasselisten, ohne Unterscheidung zwischen kleinen und großen Hunde, aber mit einem verbindlichen Sachkundenachweis für jeden Hundehalter – mit theoretischer Prüfung vor Anschaffung des Hundes und praktischer Prüfung nach ein bis zwei Jahren.
So ein Hundeführerschein muss dann aber auch dazu führen, dass ein Antrag auf Leinenbefreiung tatsächlich zu mehr Freilauf für Hunde, von denen nachweislich weder eine Gefährdung noch eine Belästigung anderer Bürger ausgeht, führen wird und die Befreiung entgegen § 1 Absatz 3 Nummer 6 der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen auch auf Wegen, Pfaden und Rasenflächen in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen Gültigkeit erlangt.
Jule Thumser