Pyrrhussieg für Poggendorf?

„Hildegard Dobbertin ist 86 Jahre alt, stark sehbehindert und geht am Stock. Doch das hält die Seniorin nicht davon ab, Wolfgang Poggendorf (70), Vorsitzender des Hamburger Tierschutzvereins (HTV), immer wieder öffentlich zu attackieren“, soweit ein Zitat aus dem Hamburger Abendblatt über die Gerichtsverhandlung vom 25. Oktober 2006. Was das Abendblatt nicht erwähnt: Ihr Engagement bringt der 86-jährigen nicht nur den Respekt unzähliger Tierfreunde und Tierschützer ein, sondern auch deren Solidarität. So war der Gerichtssaal denn auch bis auf den letzten Platz mit Sympathisanten aus den Reihen der Hunde-Lobby und anderer Tierschutzorganisationen besetzt. Und dieses Mal hatte es HTV-Anwalt Hartmut Reclam nicht geschafft, seinen Mandanten Poggendorf aus der Schusslinie herauszuhalten. Das Gericht hatte sein persönliches Erscheinen angeordnet.

Hildegard Dobbertin

Doch worum ging es bei dieser Verhandlung, bei der sich der HTV nicht zu schade war, eine alte, fast blinde Frau vor den Kadi zu zerren? Seit die engagierte Tierschützerin vor Jahren mehr oder minder freiwillig ihre HTV-Mitgliedschaft gekündigt hatte, sammelt sie akribisch Informationen, Statements und Zeitungsartikel von oder über den ehemaligen Geschäftsführer und derzeitigen 1. Vorsitzenden des HTV. Dabei ist sie auf allerlei Ungereimtheiten gestoßen, die für die alte Dame mit ihrer Vorstellung von Tierschutz nicht in Einklang zu bringen sind. Und daher wird Hildegard Dobbertin auch nicht müde, Senat und Bürgerschaft,  Behörden und Zeitungsredaktionen über die Ergebnisse ihrer Recherchen zu unterrichten.

Im Juni 2006 schlug nun Poggendorfs Stunde: Einer Aussendung an neun Vertreter von CDU, SPD, GAL und FDP lag auch eine Kopie eines Faxes aus dem Februar 2006 bei, in dem sich die streitbare Seniorin auf Zeitungsberichte vom September 2005 über die vermutliche Höhe des Gehalts und die Größe des vermeintlichen Dienstwagens des HTV-Geschäftsführers bezog. Wäre Hildegard Dobbertin beispielsweise ein Bild-Reporter, wäre ihr ganz sicher aufgefallen, dass ihre Formulierung „Herr Poggendorf ist ein hochbezahlter Angestellter des HTV, kein Ehrenamtlicher. Er verdient monatlich 6000 Euro. Er fährt einen HTV-Dienstwagen im Wert von 50 000 Euro.“ ihrem Kontrahenten zu diesem Zeitpunkt eine ideale Angriffsfläche bieten würde. Seinerzeit – noch HTV-Geschäftsführer –  hatte Poggendorf eben diese Artikel unwidersprochen stehen gelassen und nicht etwa eine Gegendarstellung verlangt. Jetzt aber – als 1. Vorsitzender im geschäftsführenden Vorstand – ließ er der Seniorin per Einstweiliger Verfügung verbieten, diese Behauptungen zu wiederholen. Ja mehr noch, er verlangte auch noch den Widerruf gegenüber den Empfängern und die Anhebung des Streitwerts von 3.000 auf 20.000 Euro. Letzterem wollte das Gericht allerdings nicht folgen, wenn es auch die Beweislast für die Behauptungen auf Seiten der Seniorin sah.

Während sich die Richterin sehr für eine einvernehmliche Lösung und eine vernünftige Regelung der Kosten aussprach (immerhin beläuft sich die außergerichtlich gestellte Kostenrechnung von Anwalt Reclam an Hildegard Dobbertin auf 1.222,18 Euro), ging es Poggendorf und seinem Anwalt augenscheinlich darum, der unbequemen Tierschützerin einen, möglichst kostspieligen, Denkzettel zu verpassen. Poggendorf, der sich unlängst in der HTV-Mitgliederzeitschrift (ich & du 3/06) mit harscher Kritik an Bürgermeister Ole von Beust über die „Funkstille zwischen Rathaus und Süderstraße“ beklagt hatte, stellte sogar die Behauptung auf, Dobbertins Kritik würde die Verhandlungen mit der Stadt gefährden. Reclam aber brachte es auf den Punkt: „Frau Dobbertin belästigt Gott und die Welt mit ihren Briefen. Das muss endlich aufhören“. Daher bestehe er auf eine Unterlassungserklärung gegenüber allen Adressaten. Sichtlich erregt meldete sich Hildegard Dobbertin zu Wort und erklärte: „Ich werde nicht widerrufen! Ich bin nicht Galileo und Sie, Herr Reclam, sind nicht der Großinquisitor!“

Wolfgang Poggendorf (l) und Anwalt Reclam

Fazit: Hildegard Dobbertin hat sich bereit erklärt, ihre Behauptungen über Dienstwagen und Gehalt nicht zu wiederholen, lehnt es aber strikt ab, eine Widerrufserklärung gegenüber den Empfängern ihres Briefpaketes abzugeben. Die Gegenseite will aber nur über einen Vergleich der Kostenrechnung verhandeln, wenn Dobbertin beide Erklärungen zu Protokoll gibt. Am 08. November 2006 verkündete das Gericht seinen Beschluss: Die Einstweilige Verfügung wurde bestätigt. Dobbertin hat die Kosten des Verfahrens und die Anwaltskosten der gegnerischen Partei zu tragen. Soweit Poggendorf keine Beschwerde gegen den vom Gericht auf 3.000 Euro festgesetzten Streitwert einlegt, kommen rund 900 Euro auf die streitbare Rentnerin zu.

Wer die aufrechte Tierschützerin in ihrem Kampf „David gegen Goliath“ unterstützen will, kann das mit einer Spende für die zu erwartenden Gerichtskosten tun: Konto der Hunde-Lobby 1235 121074, Haspa, BLZ 200 505 50, Stichwort: Dobbertin.